Mittwoch, 31. Juli 2019

Neue Zeit in alten Tagen



An neuen Wänden - alte Bilder
Das alte Ich im neuen Schein
Hab' mich gewöhnt an all das Fremde
Hier bin ich Mensch
Darf ich es auch sein?


Beklemmend, beengend
Mehr Kerker als Kammer
Verlassen, allein und...
Ach hör' auf zu jammern!

"Alt" heißt nicht "gut"
Und "neu" auch nicht "schlecht"
Sieh der Wahrheit ins Auge
Denn das Glück war nicht echt.

Neue Zeit - bekannte Gesichter
Wenn es drauf ankommt: nicht allein
Doch wohin soll das alles führen?
Ich weiß es nicht
Lass mich drauf ein 

Neue Straßen und Wege
Die Freiheit unendlich
Dieser Ort ist ganz "ich"

Mein zu Hause

Befremdlich.


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Hello again. Schön, dass Ihr da seid.
Wieder ist viel Zeit vergangen, aber diesmal spare ich mir den Lagebericht. Wer das hier ließt, der weiß, was geschehen ist.

In etwa. Im unspektakulären Groben und Ganzen. Oder im dreckigen Detail.

Es gibt unzählige Umschreibungen für das Geschehene: Der Zug ist entgleist... Das Kind ist in den Brunnen gefallen... Die sprichwörtliche Scheiße hat den sprichwörtlichen Ventilator getroffen, der sie treffsicher überall verteilt hat. Und als ich mich in den Trümmern wiederfand, kam es mir vor, wie das absolute - und sehr unsprichwörtliche - Ende. Doch das war es nicht.

Vermutlich hängt alles ab von Perspektive und Fokus... Denn als ich auf die Frage, warum ich mich auf Wohnungssuche befinde, nur mit einem knappen "Trennung" antwortete, reagierte der potenzielle Vermieter darauf mit den Worten: "Ach, das Übliche also." Des Einen Apokalypse ist des Anderen Wetterbericht von vor zwei Wochen: langweilig, irrelevant und... rückblickend oft nicht zutreffend.

Perspektive. Fokus.

Die erste - und vielleicht wichtigste - neue Perspektive, die sich mir geboten hat, war die Erkenntnis wie viele Menschen noch bereit sind, Anteil zu nehmen. Auch nach vielen Jahren ohne jeden Kontakt. Auch an Punkten im Leben, an denen man sagen muss, "wir haben nichts mehr mit einander zu tun", haben sie innegehalten. Ungeachtet der Umstände sind sie von ihrem Weg abgewichen, um nach mir zu sehen. Um zuzuhören. Um meinen Fokus zu lenken.

Erstaunlich... "Ergreifend" möchte man sagen.

Manche sind schon wieder weitergezogen, auf ihren eigenen Wegen. (Richtig so! Es ist schließlich EUER Weg.) Andere bleiben vielleicht noch eine Weile. Begleiten mich noch ein Stück - oder ich sie.

In jedem Fall danke ich Euch. Von ganzem Herzen. (Ihr wisst, wer Ihr seid.)

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Jetzt sitze ich also hier, in meiner neuen Welt und schreibe. Die Zeiten, in denen es nur darum ging, zu überleben und weiter zu machen, sind (zum Glück!) vorbei. All die Tage, die mir oft wie Wochen und Monate vorkamen, sind rückblickend doch nur Tage gewesen. Ein paar Dutzend von über 12.000, die bereits hinter mir liegen. Letztendlich nur Fußnoten.

Es war ein merkwürdiger Prozess, den ich in den letzten Monaten durchlaufen habe. Anfangs mit den Gedanken immer in der Vergangenheit, in ständiger Angst vor dem Vergessen und dem Vergessenwerden. Später dann ständig auf der Suche nach neuen Gründen um weiter zu machen. Grundlos hektisch und praktisch planlos. Einfach weiter.

Jetzt habe ich das Gefühl, vorerst angekommen zu sein. Für den Moment. Genug um kurz zu reflektieren und zu schauen, wo ich stehe. Um zu versuchen, das Ganze zu sehen. Schonwieder... Denn wer meinen letzten Post gelesen hat, weiß vielleicht noch, dass ich zu dieser Zeit an genau dem gleichen Punkt war. Es war alles das Gleiche - nur komplett anders.



Der Schein des Guten kann uns blenden
Das Negative trübt den Blick
Doch wohin uns'ren Fokus lenken
Nach links und rechts?
Nach vorn? Zurück?

Der Glanz alles Neuen
Und die stets gleichen Sorgen
Die stürmische Nacht
Und der strahlende Morgen

Die Momente des Glücks
Die verfloss'ne Romanze
Lass Dich nicht blenden
Und schau auf das Ganze


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Es ist manchmal sehr einfach, die eigene Perspektive und den Blick auf das Leben verzerren zu lassen. Das Gras des Nachbarn ist irgendwie immer grüner... Das gilt natürlich umso mehr, wenn der eigene Rasen komplett verbrannt ist. Aber was bedeutet schon der Rasen? Und stinkt die Mülltonne des Nachbarn weniger, bloß weil sein Rasen gepflegt ist? Wohl eher nicht.

Vielen fällt es schwer, das Negative (oder Suboptimale) im eigenen Leben richtig zu bewerten. Vor allem beim Blick auf die Errungenschaften anderer, passiert es schnell, dass man mit sich selbst zu hart ins Gericht geht. Nicht aus Neid, oder gar Missgunst. Einfach als Teil einer verzerrten Selbstwahrnehmung. Wie zum Ausgleich schaffen wir (oder manche von uns) dann ein Bild der eigenen Realität, dass wir der Außenwelt präsentieren. Ein Schutzwall aus Erlebtem, Erfolgen und magischen Momenten gegen die nagende Unsicherheit.

Das war schon vor 10 Jahren so. Wir folgten einander auch damals schon. Als stille Beobachter, neugierige Kommentatoren, oder gar persönliche Cheerleader... Aber irgendwie wirkt es heute... realer.




Das Lächeln kommt wieder
Bin nur noch nicht wach
Ich guck auch nicht böse
Ich denke nur nach
 
Mir geht's wirklich blendend
Du brauchst nicht zu fragen
Denn wenn doch was wäre
Dann würd ich's Dir sagen
 
Die Tränen, ach was...
War nur'n trauriges Lied
Warum glaubst Du mir nicht?
 
Schau doch in meinen Feed.

 

Ich nehme mich selbst bei all dem nicht raus. Seit der Trennung bin ich in den sozialen Medien wieder außerordentlich aktiv. Ist das prätentiös? Die Sucht nach Anerkennung? Oder einfach nur die Nutzung der Möglichkeiten, die uns geboten werden, um Freunde und Bekannte (die es interessiert) an unserem Leben teilhaben zu lassen? Ein bisschen von allem, würde ich sagen. Es ist in jedem Fall nichts Falsches, denn es hilft auch uns selbst, den Fokus auf das Positive in unserem Leben zu lenken. Social Media, mein Youtube-Kanal, neue Hobbies. All das gehörte genau so zu meiner Heilung, wie...


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... Die Gespräche mit einigen von Euch. Es wirkt fast banal, weil es einem ständig geraten wird. "Vertrau Dich anderen an." Aber ich habe zunächst nicht daran geglaubt und mich über Wochen zurück gezogen. Zum Teil, weil ich mir die Frage "Was soll das bringen?" nicht beantworten konnte... Aber nicht zuletzt auch, weil sich das, was mir passiert ist, wie Versagen angefühlt hat. Angesichts der "perfekten" Einblicke, die man in das Leben anderer bekommt, war es dann wohl auch umso schwerer, zu sagen "Es ist so passiert. Ich konnte es nicht verhindern. Ich konnte nichts tun."

Irgendwie albern, ich weiß. Zumal die Gespräche gezeigt haben, was man eigentlich weiß, aber oft nicht wirklich realisiert: Kein Leben ist perfekt und jeder hat sein Päckchen zu tragen. Und viele tragen deutlich schwerer, als ich es vermutet hätte.

Es ist, wie es ist. Und manchmal ist es halt Scheiße. Sprecht darüber, kotzt Euch aus. Bei Menschen, die Euch nahe stehen, bei Freunden, bei mir. Es ist wohl nie die Lösung, aber manchmal ein Teil des Weges zu ihr.

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Nun reicht es aber auch wieder... Genug der Bildsprache, der Hinterhofpoesie und der Abhandlung über die Rolle der sozialen Medien in der Bewältigung persönlicher Krisen. Wie schon beim letzten Mal, weiß ich auch diesmal nicht, ob das der letzte Eintrag in diesem Blog war, oder ob ich ihn nochmal missbrauche. In letzterem Fall lasse ich es Euch natürlich wissen.


(Falls Ihr das nicht wollt, antwortet oder kommentiert bitte mit den Worten "OMG! LASS MICH ENDLICH MIT DEM UNSINN IN RUHE!!!")
 


Jetzt macht Euch vom Acker
und genießt Euer Leben
Die Momente des Glücks
All das Schaffen und Streben
 
Ich wünsch' Euch Erfolg
Und stets Wasser am Kiel
Keine Tränen der Trauer
Doch der Freude sehr viel
 
Und wenn Euch danach ist
Lasst die Gedanken ruhig gleiten
Zu mir und zu uns
Und gemeinsamen Zeiten
 
Doch vergesst nicht was ist
wegen dem was mal war
Bitte nutzt Eure Zeit
Seid Euch folgendem klar:
 
Wie das Leben auch spielt
Wie das Schicksal sich wendet
Nur eines ist sicher

Dass alles mal endet. 



Vielen Dank für Eure Zeit, ich weiß es sehr zu schätzen. Auch dieses Mal erwarte ich nicht, dass Ihr reagiert, freue mich aber immer, von Euch zu hören. Passt auf Euch auf und... vielleicht bis bald.

Micha


P.S.: Reimen ist wirklich ein unterschätzter Zeitvertreib. :D