Sonntag, 22. November 2009

Hinter den Kulissen

"Diese verdammte Arbeitshose ist mir viel zu groß", denke ich, während an mir herunterschaue. Ich sitze auf einer Bank und der Rauch meiner Zigarette steigt in den wolkenverhangenen Himmel hinauf. Zu meinen Füßen liegt welkes Laub. "Es gibt Arbeit" schreit es. Weil es in den letzten Tagen recht trocken war, knirschen die brechenden Blätter, wenn meine grau-orangenen Arbeitsschuhe auf den Boden treffen. Ich höre es nicht. In meinen Ohren teilen mir die Ramones mit, dass sie nicht auf einem Tierfriedhof beerdigt werden wollen. Kann ich verstehen... ganz ehrlich.

Schnitt.

"Zum Gedenken der Opfer des 2. Weltkriegs" steht auf einem großen Feldstein inmitten eines Beetes. Eine Stimme:
"Ich komme schon seit fast 50 Jahren hier her. Mein Mann kann nicht mitkommen. Er leidet noch immer darunter. Seine ganze Familie wurde vor seinen Augen ermordet, nur er hat überlebt. 1945 war das. Da war er grad elf Jahre alt." Ich suche nach einem angemessenen Gesichtsaudruck. " Das da ist doch ein schöner Fliegenpilz!" Die Frau macht ein Foto mit ihrem Handy. "Ich mache Fotos für meinen Mann." sagt sie. "Naja... blei'm Se schön jesund, junger Mann!" Und dann geht sie, während ich mich immernoch darüber wundere, dass eine Frau in ihrem Alter ihr Handy zum Fotografieren benutzt.
Der Unmut über die aufgezwungenen fremden Erinnerungen kommt erst später.

Schnitt.

Ich stehe auf einem Grab. Der Grabhügel muss abgetragen werden und die Hälfte habe ich schon geschafft. Der feuchte und lehmhaltige Sand macht mir zu schaffen. Warme Schweißtropfen auf meiner Stirn, kalter Wind in meinem Nacken. Die dunklen Wolken lassen die Morgendämmerung etwas länger dauern.
Die Frau, 1,80 Meter unter mir, hieß Helga und ist noch nicht sonderlich lange tot. Ich konzentriere mich darauf, nicht an Zombiefilme zu denken. In meinem Kopf singt ein fast schon toter Johnny Cash:

I won't back down
No, I won't back down
You can stand me up at the gates of hell
But I'll stand my ground
And I won't back down

Schnitt.

Eine Trauergemeinde. Ganz in schwarz. Eine von vielen. Ein einzelner Trompeter spielt ein Requium. "Hätte ich nicht meine Arbeitskleidung an, würde ich da gut reinpassen.", denke ich mir. "Ich würde garnicht auffallen".

Schnitt

That is not dead, which can eternal lie,
yet with strange aeons, even death may die.
[H.P. Lovecraft]

Schnitt

Kollegen erzählen sich Friedhofswitze. Es ist Pause und in meinen Händen jagt Käpt'n Ahab den weißen Wal. Der Kaffee ist essentiell.

Schnitt.

Schönes Wochenende!
Still beweint und...
Harke und Schaufel.
Have you come for forgiveness?
Ich wollte nur fragen...
Was bleibt am Ende?
Milch und Zucker, bitte.

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